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Schritt für Schritt in die disruptive Zukunft



Die Automotive-Branche erfindet sich neu … und der ÖAMTC mit. Statt auf Transformationsprogramme setzt CTO Susanne Tischmann dabei auf konkrete Projekte und auf greifbaren Nutzen.


„Irgendwann wird es wahrscheinlich fast keine Pannen mehr geben,“ sagt Susanne Tischmann. Die CTO und CIO des ÖAMTC sieht der künftigen Disruption des eigenen Kerngeschäfts gelassen entgegen. Und richtet sich darauf aus. So wie der gesamte ÖAMTC, der sich schon damit auseinandersetzt, wie eine veränderte Automotive-Branche aussehen könnte und die eigene Strategie 2030 daran orientiert.


Exakt planen lässt sich vor allem für die IT angesichts des Tempos technologischer Innovationen kaum so weit im Voraus. Das, was heute hot Stuff ist, kann morgen schon überholt sein. Aber auf fünf Jahre Sicht vorausschauend fährt die IT des ÖAMTC schon. Die von ihr gewählte Route in die digitale Ära ist kein schnurgerader Highway, sondern eine, die auch über Landstraßen führt … um möglichst alle mitzunehmen. „Ich tu mir schwer mit Ansagen, einfach alles zu digitalisieren und das gesamte Unternehmen großangelegt zu transformieren“, stellt Tischmann fest.

„Für mich ist wichtig: Wie wird ein Service akzeptiert und welchen Nutzen bringt etwas unseren Mitgliedern und unseren Mitarbeitern? Und zwar digital genauso wie analog. Mit jedem neuen Service und Nutzen transformiert man ohnehin laufend.“

Bestehende Services digitalisieren, aber daneben auch völlig neue entwickeln


Dementsprechend fokussiert man sich auf seiner Route auf viele überschaubare Teiletappen: Die erste und wichtigste war und ist, die Services für die 2,2 Millionen Mitglieder – etwa mit persönlichen Accounts und Apps – zu digitalisieren und die bestehenden Dienstleistungen durch digitale Funktionalitäten zu erweitern und zu verbessern: Indem die Mitglieder im Web-Portal auf einen Blick sehen, welche Services sie in Anspruch nehmen können, indem sie zum Beispiel die Nothilfe auch digital anfordern können oder am Smartphone die Info bekommen, wie lange es noch dauert, bis der Pannenhelfer bei ihnen ist.


Zugleich entwickelt die IT des ÖAMTC aber auch gänzlich neue Services, solche, die erst durch die Digitalisierung möglich werden, so wie Smart Connect. Damit werden auch ältere Fahrzeuge mittels Dongle auf digitalen Stand gebracht, einerseits um den aktuellen Mitgliederservice zu verbessern. Denn mittels Smart Connect werden Fehlermeldungen aus dem Auto an den Technischen Helpdesk des ÖAMTC geschickt, wo Techniker die Analyse und Diagnose übernehmen. Der Fahrer wird via App kontaktiert. Andererseits ist Smart Connect die Basis, um langfristig Software und Algorithmen zu entwickeln, um vorherzusagen, wie lange eine Batterie noch funktionieren wird und so predictive Notsituationen zu verhindern.


Auch die einzelnen Services startet man mit überschaubaren Schritten, etwa im Fall von Smart Connect mit 150 Test-Usern aus der Mitglieder-Community. Das Frontend zu den Mitgliedern ist aber nur das eine Ende.

„Um solche digitalisierten Anwendungen bieten zu können, muss die IT-Struktur darauf ausgerichtet sein, Einzelkomponenten flexibel zu neuen Services zusammenbauen zu können“, zeigt Susanne Tischmann auf:

„In den vergangenen zwei Jahren haben wir die technologische Basis und die Grund-Layer geschaffen, um solch ein Bausteinsystem modular möglich zu machen, und zwar systemübergreifend, also mit denselben Logiken für Apps, Web-Anwendungen und internen Anwendungen. Das gilt es laufend weiterzuentwickeln, zum Beispiel mit Hybrid-Cloud-Modellen.“


Alleine kann die IT nicht digitalisieren


Darüber hinaus ist Digitalisierung für die CTO ein Prozessthema, und zwar ein gemeinsames der IT und der anderen Bereiche – alleine, ohne Organisation, die neue Dinge mitträgt und umsetzt, kann die IT aus ihrer Sicht auch mit der besten Technologie und den innovativsten Ideen nicht digitalisieren: „Wenn ich den Mitgliedern per App zeigen will, wie nah der Pannenfahrer schon ist, muss dieser mir transparent machen, wo er sich gerade befindet.“


Bei der übergreifenden Koordination, um die digitalen Services im wahrsten Sinn des Wortes auf die Straße zu bringen, übernimmt die IT, gemeinsam mit der Innovationsabteilung, aktiv den Lead. Und stimmt sich dazu monatlich mit der Geschäftsführung ab, um die Projekte zu priorisieren. Das passiert in einem äußerst lebendigen Prozess, weil ständig neue Themen und Ideen dazukommen. Die entstehen zum einen aus technologischen Innovationen, und zum anderen aus der Community der Mitglieder. Derzeit sind es über 26.000, die über ÖAMTC AM.PULS, ein Kommunikations-Tool des Mobilitätsclubs, Anregungen und Feedback zu neuen Services liefern.


Und Einbindung ist auch intern das Stichwort. Indem man die betroffenen Mitarbeiter schon in der Vorstufe eines Projekts „mitnimmt“ und den Nutzen eines neuen Service vorstellt … in erster Linie anhand der Kunden-Story: Wenn ich ein Mitglied wäre, was würde ich mir erwarten? Und indem man die Mitarbeiter von Beginn weg mit einer digitalen Anwendung vertraut macht – so vertraut, dass sie für alle diesbezüglichen Fragen und Probleme der Mitglieder gerüstet sind.

„Eine Kunden-App muss auch für unsere Mitarbeiter zum ureigensten Werkzeug werden“, ist Susanne Tischmann überzeugt. „So wie es die Pannenhilfe ja auch für jeden von uns ist.“

Die Gelben Engel als USP ... heute und in der digitalen Zukunft


Auch bei den Ideenwettbewerben, zu denen man Startups und Studenten einlädt, sitzt dann meist zumindest einer der 800 Pannenfahrer in der Jury. Schließlich verkörpern sie den USP, den der ÖAMTC seinen Mitgliedern bietet: Die personalisierte Dienstleistung, die Helfer, die Gelben Engel … und die gilt es zu unterstützen. Und zwar auf einfachstem und kürzestem Weg. So wie zum Beispiel bei einem Kärntner Pilotprojekt, bei dem die Außendienst-Mitarbeiter sich bei einer Pannennothilfe per Handy-App vom Helpdesk in der Zentrale direkt Unterstützung holen können. Und die kann, wenn es kompliziert wird, bis zur Hilfestellung per Augmented Reality reichen. „Dass jeder Pannenfahrer über jedes Spezialthema Bescheid weiß, ist angesichts der Komplexität von Schaltplänen, Steuergeräten und Hybridfahrzeugen schlichtweg nicht mehr möglich,“ konstatiert Tischmann. „Auch wenn sich die Pannenfahrer immer mehr zu IT-Spezialisten und Elektronikexperten entwickeln.“


Ein Trend, der sich weiterhin verstärken wird, denn Autos zu verkaufen, wird den großen Herstellern nicht mehr reichen. Es geht in die Richtung Predictive Services, ein Umstand, der auch neue Player wie die großen Data Companies, anlockt … und die Nischen, wie jene der traditionellen Autofahrer-Clubs, wenn sie sich nicht weiterentwickeln, zur bedrohten Art macht. Die arbeiten deshalb verstärkt auf internationaler Ebene zusammen, um ihr künftiges Portfolio und ihr Profil zu schärfen und gemeinsam mehr Gewicht in den Ecosystemen der Zukunft zu haben. Und dabei kann man durchaus auf bestehende Stärken setzen, wie die CTO des ÖAMTC bewusst macht:

„Zum einen haben wir über Jahrzehnte Know-how für dieses spezifische Dienstleistungssegment angesammelt und dafür eine funktionierende Infrastruktur aufgebaut. Und zugleich haben wir etwas zu bieten, was die Hersteller nicht können: den Status der unabhängigen Helfer ...

... in unserem Fall als der größte Verein Österreichs. Die ihre Mitglieder nicht nur bei einer Panne, egal mit welchem Fahrzeugtyp, unterstützen, sondern zum Beispiel auch darauf achten, was mit den Fahrzeugdaten künftig passiert.“


Und in internationalen Kooperationen gehen die modernen Mobilitätsclubs gemeinsam auch selbst neue Themen wie Predictive Services und Customer Experience an, etwa, wenn die Mitglieder nahtlos und mittels sicherem Datenaustausch grenzübergreifend von einem Mobilitätsclub eines anderen Landes weiterbetreut werden. Oder wenn man mit Partnern das Service-Portfolio bei Reisen zu einer Rundum-Betreuung für die Mitglieder ausbaut.

Auch wenn heute noch nicht ganz klar ist, wie sich die Automotive-Branche letztlich tatsächlich verändern wird, zeichnet sich jetzt schon ab: Der zuverlässige Helfer, auf den ich vertrauen kann, und zwar darauf, dass er mir irgendwo, abseits aller Ballungszentren, in einer Notsituation hilft, genauso wie darauf, dass er mit meinen Daten integer umgeht, könnte gerade in der digitalen Welt zum entscheidenden USP werden. Als „Engel 4.0“ – und zu dem entwickelt sich der ÖAMTC gerade … Schritt für Schritt.


Von Michael Dvorak; Fotos: Milagros Martinez-Flener




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