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Quereinsteiger:innen mit Business-Nähe als Resilienz-Trumpf


Bei der FACC AG ist Anpassungsfähigkeit an sehr heterogene Geschäftsfelder gefragt. Die dafür nötige Business-Nähe holt Alexander Hochmeier, in Person von Um- und Quereinsteigerinnen in seine IT-Organisation.

Das Kerngeschäft der FACC AG wächst und ist vor allem auch prognostizierbar. Im Unterschied zu manchen anderen Branchen gibt es in der zivilen Luftfahrt Planungssicherheit. Wenn Projekte beauftragt sind, dann kennt man auf Jahre hinaus die Zeitfenster, die Stückzahlen und die monatlichen Produktionsraten. Änderungen der Ratenplanung kommen mit ausreichend Vorlauf, den Bedarf, im Minutentakt auf geänderte Anforderungen zu reagieren, gibt es in der Regel somit kaum. Business Resilience ist trotzdem gefragt – und entscheidend.

 

Heterogene Anforderungen und Zukunftsthemen

 

Der oberösterreichische Flugzeugbauer mit Hauptsitz in Ried im Innkreis gehört zu den weltweit führenden Aerospace-Unternehmen – es gibt kaum ein ziviles Luftfahrzeug, in dem keine Komponente made by FACC „mit an Bord“ ist. Bei den großen Herstellern wie Airbus und Boeing ist man genauso als Partner etabliert wie auch bei neuen Playern, beispielsweise im Bereich Advanced Air Mobility. Gleichzeitig hat man, nicht zuletzt nach der Erfahrung der Pandemie, mit dem Thema Business Jets auch eine vertikale Erweiterung des Kerngeschäfts forciert.


„Bei Business Jets reden wir tatsächlich von Losgröße Eins“, sagt Alexander Hochmeier, Vice President IT und Security bei FACC: „Das ist wirkliches Handwerk – da arbeiten Tischler und Möbelbauer extrem variantenreich mit Holz und Leder.“

Zwar werden hinsichtlich Nachvollziehbarkeit auch herkömmliche Verkehrsmaschinen letztlich in Losgröße Eins produziert, aber hier hat man es als First Tier Supplier mit wirtschaftlich bestimmenden Kunden zu tun, die jeweils ihre eigenen Prozesse vorgeben. Und bei denen gilt es komplett mitzuziehen, von der ersten Kundenanforderung in deren Systemen zur Bauteilproduktion und zur Auslieferung und teilweise bis hin zum Maintenance und Repair Business. Für die IT der FACC heißt das, nicht nur eine durchgängige Datendrehscheibe zu den großen OEMs gewährleisten zu müssen, sondern auch die unterschiedlichsten Tools der Kunden zu integrieren.

Ganz andere Anforderungen gibt es dagegen bei neuen Themen: „Wenn wir von autonomen, zivilen Drohnen sprechen – sei es in der Logistik oder im Personentransport – dann sprechen wir in unserer Industrie von einer Hochratenproduktion“, erklärt Hochmeier.

 

Mit dem Thema Advanced Air Mobility befasst sich der österreichische Luftfahrt-Innovator schon seit längerem sehr intensiv und ist hier auch bereits mit führenden, internationalen Partnern in enger Abstimmung. Das ist allerdings nur ein Aspekt, bei dem sich die FACC heute bereits mit der Zukunft beschäftigt. Ihre Kernkompetenz ist der Leichtbau – und dort ist die Herausforderung, das Fliegen nachhaltiger und auch „ grüner” zu machen, etwa durch Treibstoffreduktion und Schallreduktion. Zugleich ist auch die Leichtbauproduktion selbst ein Thema. Damit die Bauteile die nötige Härte bekommen, werden bestimmte Harze verwendet und die sollen zunehmend bio-basiert sein. Und auch das Recycling der einzelnen Bauteile ist ein großes Thema, das nicht zuletzt von den Kunden vorangetrieben wird.

„Wir arbeiten also sehr intensiv daran, heute die Bauteile und Produktionsprozesse zu antizipieren und zu entwickeln, die in zehn Jahren gebraucht werden“, bringt es der Vice President IT & Security auf den Punkt.

 

Business-Nähe als Trumpf, der von außen kommt

 

Dass strikte rechtliche Rahmenbedingungen und lokale wie regionale Regularien seit jeher Teil des Kerngeschäfts sind, macht die Vielfalt an unterschiedlichsten Business-Anforderungen komplett. Um hier als Unternehmen resilient zu sein, ist vor allem Anpassungsfähigkeit gefragt, insbesondere von der IT-Organisation. Und für sie ist diese Anpassungsfähigkeit letztlich nur möglich, wenn sie das Business versteht.

Alexander Hochmeier setzt dafür gezielt auf Quereinsteiger:innen und Umsteiger:innen – und das mit Erfolg:

„Wir haben uns bewusst aus dem War for Talents rausbegeben. Es ist sehr schwer, am Markt IT-Expert:innen zu bekommen, besonders, wenn man nicht in Wien oder Linz sitzt. Der Fachkräftemangel ist ein echtes Resilienzthema, das zu einem massiven Showstopper werden kann.

Wie sollen die Anforderungen der Fachbereiche erfüllt werden, wenn nicht durch Menschen? Zugleich haben wir gesehen, welche positiven Effekte entstehen, wenn diese Menschen aus anderen Bereichen in die IT wechseln, auch wenn Sie keine technische Ausbildung haben und sich nicht bis zur letzten Schraube auskennen. Dafür bringen sie ihr Domänenwissen ein und wenn sie intern umsteigen, auch noch ihre Nähe zu den Kolleg:innen und den Stakeholdern. Diese Business-Nähe hilft uns als IT enorm, die Anforderungen und Probleme der Fachbereiche besser zu verstehen und sie schneller mit den richtigen Lösungen zu unterstützen.“ 

 

Um Menschen aus anderen Bereichen für die IT zu gewinnen, bietet man einiges – und zwar keine exorbitanten Gehälter, wie es im War for Talent notwendig wäre, sondern Möglichkeiten. Zum Beispiel die Möglichkeit, die berufliche Tätigkeit lebensphasenorientiert zu gestalten, etwa, indem eine Mutter mit kleinen Kindern ihre Stundeanzahl verringern und danach wieder erhöhen kann, ohne dass ihr Job deshalb weniger interessant wird. Oder die Möglichkeiten für flexible Arbeitsmodelle wie Job Sharing und fachliche Karrieren.

Echte IT-Expert:innen braucht und sucht man natürlich trotzdem weiterhin, schließlich wären ohne sie auch die innovativsten neuen Modelle gar nicht möglich. Die Querein- und Umsteiger:innen machen heute in der IT-Organisation der FACC AG aber schon einen Anteil von 50 Prozent aus.

 

Mit kleinen Schritten zum Erfolg in der neuen Welt


Theresa Osterkorn ist eine von ihnen. Vor achteinhalb Jahren hat sie bei FACC im operativen Einkauf begonnen und ist dort nach zwei Jahren in eine Key-User-Rolle geschlüpft. Dabei ist dann auch ihr Interesse an der IT und insbesondere am Thema SAP erwacht. Und das war – gemeinsam mit dem Wunsch, sich weiterzuentwickeln – die Motivation, sich vor drei Jahren für die ausgeschriebene Stelle einer SAP Inhouse Consultant in der IT-Organisation zu bewerben. Der Wechsel in die neue Rolle war für sie dann ein Schritt in eine andere Welt: „Wenn man keine entsprechende Ausbildung hat, wird man da zu Beginn von allen möglichen Fachbegriffen erschlagen. Was mir in dieser Anfangszeit sehr geholfen hat, war, dass ich einen SAP Consultant als Mentor hatte, den ich einfach immer fragen konnte, wenn ich nicht weiterwusste. Zu Beginn waren das viele kleine Dinge, aber genau dadurch lernt man Schritt für Schritt und jeder Schritt ist ein kleines Erfolgserlebnis, das einen sicherer macht.“

 

Dennoch hat sie für das Eingewöhnen fast zwei Jahre gebraucht, sagt Theresa Osterkorn. Dass sie trotz oder gerade wegen der fehlenden IT-Ausbildung einiges an Wert in diese andere Welt einbringen kann, hat sie allerdings recht bald erkannt. Etwa Skills in Sachen Kommunikation oder Projektmanagement, die nicht zwangsläufig Teil der IT-DNA sind. Vor allem aber ist es der Blickwinkel, den sie aus ihrer früheren Rolle mitbringt. Besonders deutlich wird das bei ihrer aktuellen Aufgabe, in der sie als SAP-Ariba-Projektleiterin maßgeblich für die Digitalisierung der Einkaufsprozesse verantwortlich ist.

„Die Kolleg:innen im Einkauf wissen es spürbar zu schätzen, wenn ihnen die IT nicht einfach ein Stück Technologie aufdrängt, sondern wenn man wirklich auf ihre Anforderungen und Problemstellungen eingeht.

Für sie bin ich praktisch ihr Sprachrohr in die IT, das ihre Needs versteht. Und wenn ich diese Akzeptanz erlebe, weiß ich, dass es eine gute Entscheidung war, in die IT zu wechseln und dass ich hier am richtigen Platz bin.“

 

Anfangs Zweifel, dann internationale Projektsteuerung

 

Auch Johanna Mosers Weg in die IT begann im operativen Einkauf der FACC AG und zwar vor sieben Jahren. Dass dieser Weg sie – zumindest virtuell – bis nach Wichitain Kansas führen sollte, dachte sie damals noch nicht. Die ersten Berührungspunkte mit der IT hatte sie, als sie als Key-User-Assistenz an einem Projekt zum Thema SAP-Berechtigungen mitarbeitete. Bis zum Schritt, sich dann auch für eine Stelle in der IT-Organisation zu bewerben, dauerte es aber noch eine Weile:

„Ich hatte meine Zweifel, ob dort jemand ohne technische Ausbildung tatsächlich gebraucht wird. Heute weiß ich, dass die Zweifel unbegründet waren, weil man das benötigte IT-Know-how dazulernen kann, wenn man die Zeit dafür bekommt.“

Dass ihr das Thema, um das es bei der konkreten Rolle ging, vertraut war, half ihr, den Schritt dann wirklich zu wagen. Heute ist sie, gemeinsam mit einem Kollegen, konzernweit für das gesamte SAP- Berechtigungswesen zuständig. Dabei ist es aber nicht geblieben. Als die FACC in ihrem Competence Center für Maintenance & Repair in der Flugzeugstadt Wichita ein Projekt initiierte, mit dem Reparaturen künftig in einem eigenen SAP-Modul erfasst werden sollten, suchte man jemanden, der das aus dem österreichischen Headquarter betreute und mitsteuerte. Ganz bewusst wollte man den Kolleg:innen in den USA keinen vorgefertigten Prozess aus der Zentrale vorsetzen, sondern ihre Anforderungen integrieren. Also waren Business-Nähe und Kommunikation gefragt – in Person von Johanna Moser. Sie war maßgeblich daran beteiligt, dass dieses Projekt mittlerweile zu einem erfolgreichen FACC Blue Print wurde: „Die Kommunikation und Integration waren anfangs eine Challenge, insbesondere, weil die Kolleg:innen in Wichita bis dahin mit SAP gar nichts am Hut hatten. Als sie aber gemerkt haben, dass wir als IT hier ihre Prozesse genau analysieren und nach passenden Lösungen suchen, war das der Schlüssel zum Erfolg.“

 

Verantwortung ist auch in einer Teilzeitrolle möglich

 

Gezögert hat Kathrin Gerauer bei ihrem Wechsel in die IT von FACC auch und zwar gehörig – ihr Recruiting-Prozess dauerte volle 104 Tage. Sie wechselte nicht intern, sondern kam von außen ins Unternehmen. Von dort brachte sie nicht nur eine 13-jährige Erfahrung in Finance und Controlling mit, sondern auch einige Skepsis, ob lebensphasenorientiertes Arbeiten wirklich realisierbar wäre. Als Mutter von zwei Kindern war ein Fulltime Job für sie keine Option. Als sie sich trotzdem weiterentwickeln wollte – beispielsweise in die IT – und auch mehr Verantwortung übernehmen wollte, war das weder für ihren damaligen Arbeitgeber noch für andere Unternehmen, bei denen sie sich beworben hatte, mit einer flexiblen Arbeitszeitregelung vereinbar:

„Bei meinen Bewerbungen habe ich das Feedback bekommen, dass man Müttern, die nicht Vollzeit arbeiten können, keine Verantwortung übertragen möchte. Außerdem hat niemand für eine Frau ohne IT-Ausbildung eine Chance in einer IT-Organisation gesehen.“

Nachdem Kathrin Gerauer ihre Skepsis dann doch überwunden hatte, ist sie mit 20 Wochenstunden in der FACC-IT gestartet, und zwar zunächst im Bereich Finanzsicherheit und Cybersecurity Awareness, teilweise im Job Sharing mit einer Kollegin. Als sich dann die Möglichkeit bot, das Thema IT Financial Management & IT Controlling in der Organisation aufzubauen, hat sie auf eigenen Wunsch auch zeitlich upgegradet. Heute arbeitet sie in einem Mix aus Home Office und Büro mit flexiblen Arbeitszeiten 30 Stunden in der Woche.

Sie sieht diese Flexibilität als großes Asset des Unternehmens: „Das betrifft nicht nur die Arbeitszeiten und Stundenanzahl, das gilt genauso für die Möglichkeit, die Richtung auch ein wenig zu ändern – so wie bei mir. In der Security war der technische Aspekt doch stärker ausgeprägt als ich gedacht hatte, und dann hat sich mit dem Aufbau eines neuen Themas eine spannende Aufgabe aufgetan. Für solch einen Switch muss man selber Mut haben, aber es braucht auch das Vertrauen des Unternehmens und ganz besonders der jeweiligen Führungskraft.“

 

Investition in die individuelle Entwicklung und in jene der gesamten Organisation

 

Neben Vertrauen gilt es für Führungskräfte vor allem auch Zeit zu investieren, wenn man Querein- und Umsteiger:innen als starken Hebel gegen den Fachkräftemangel und für Business Resilience tatsächlich ernst nimmt. Kaum jemand weiß das besser als Alexander Hochmeier:

„Da gibt es keine Schablonen, das muss man letztlich für alle komplett individuell erarbeiten: Wo wollen sie hin? Welche Stärken haben sie? Was ist unser gemeinsames Bild und was braucht es, um das zu erreichen?“ 

Das Investment an Zeit scheint sich auszuzahlen. Die Fluktuationsrate in der FACC-IT liegt bei lediglich rund fünf Prozent. In den letzten drei Jahren ist die Organisation um ein Viertel gewachsen, und dennoch beträgt die durchschnittliche Verweildauer der Mitarbeiter:innen zehn Jahre. Der OECD-Schnitt liegt bei vier Jahren. Von den Querein- und Umsteiger:innen in die IT bei FACC sind drei Viertel geblieben. Bei IT-Expert:innen, die man am Markt gewinnen konnte, beträgt dieser Anteil gerade einmal ein Fünftel.

Für Alexander Hochmeier gehen die Entwicklung der einzelnen Mitarbeiter:innen und die der ganzen Organisation Hand in Hand: „Es geht auch um das Bild, das wir von uns selbst haben: Sind wir nur die IT-Technik-Bude? Sind wir Anforderungsempfänger? Oder sehen wir uns als Berater, Partner und natürlich auch als Technik-Expert:innen, die die Kolleg:innen in den Fachbereichen wirklich dabei unterstützen, ihre Arbeit und ihre Prozesse mit unseren digitalen Lösungen zu verbessern? Das ist auch für eine Organisation ein Reifeprozess, der seine Zeit braucht. Und dabei sind die Menschen, die von außen zu uns kommen, eine ungemein wichtige Bereicherung.“



Von Michael Dvorak; Fotos: Karin Schwarz

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