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Nicht alle Innovationen kann man 1:1 übernehmen



Thomas Kicker macht Business Development für die Deutsche Telekom im Silicon Valley. Als Matchmaker zwischen innovativen US-Startups und qualitätsbewusstem Mutterkonzern.


Bunte Wände mit Graffiti bemalt, Retro-Möbel und ein herrlicher Ausblick auf die San Francisco Bay. Die Deutsche Telekom weiß, wie ein Büro Startup-gerecht auszusehen hat. „Auch so zu arbeiten, das ist dann aber noch einmal eine andere Herausforderung“, sagt Thomas Kicker, der als Österreicher im deutschen Parade-Konzern seit 2016 genau dafür sorgen soll. „VP Group Business Development and Partnering in the US” lautet Kickers offizieller Jobtitel. Ganz neu musste er die deutsche Telekom-Präsenz am Hotspot des Digital Business allerdings nicht aufbauen. Eine Tochter für Innovations- und Unternehmensberatung hat im selben Gebäude ihr Büro, und ein Venture-Arm des Konzerns sitzt im Silicon Valley. Kickers Job ist es allerdings nicht, zu beraten oder zu investieren, sondern die Innovation in den Konzern und dessen zahlreiche Geschäftsbereiche zu bringen. Der Telekom-Manager bezeichnet sich selbst als Matchmaker.


"Wir verstehen uns als verlängerter Arm des Headquarters, der Wertschöpfung bringen soll."

Partnersuche kostet viel Zeit

Dieser Prozess kann intern auf mehreren Wegen passieren. Einerseits kommen Manager der Geschäftsbereiche mit konkreten Problemen, für die das Partnering-Team im Silicon Valley nach Lösungen suchen soll. „Für das Scouting und die Suche nach Partnern nehmen wir uns viel Zeit”, sagt Kicker, der ein sechsköpfiges Team leitet. Jeder Mitarbeiter ist auf bestimmte Branchen fokussiert und knüpft in diesen Industrien Kontakte, die später relevant und hilfreich werden können. Auf der Konzernseite hat die Innovationsabteilung einen Project Owner als internen Auftraggeber. Zwischen diesen Projektmanagern und den Technologie-Anbietern im Silicon Valley vermittelt Kicker: „Das kann schon mal Monate dauern. Ist ein Partner gefunden, begleiten wir auch die Verhandlungen bis zum Vertragsabschluss.“ 


Abgeschlossen werden Geschäfte im Silicon Valley in der Regel schnell. Deutsche Konzerne gelten deshalb nicht als besonders dynamisch, und so ist für Kicker auch die Dauer des Onboardings von Partnern relevant: „Wir haben sowohl die kulturellen als auch technischen Voraussetzungen geschaffen, um Partnerschaften schnell abzuschließen, da sind wir sicher schneller als andere. Nichtsdestotrotz ist Onboarding ein komplexer Prozess, der auch zwischen einem halben und einem Jahr dauern kann.“ 


Lockere Atmosphäre in einem harten Umfeld


In Europa verbringt der Partner-Manager meist eine Woche im Monat, den Rest in San Francisco und den umliegenden Orten im Silicon Valley. Das bedeutet einen „intensiven Mehrschichten-Tag“, der der um 7 Uhr mit den ersten Telefonkonferenzen beginnt, die bis in den späten Vormittag reichen. Mittags trifft der Business-Developer üblicherweise Partner, für E-Mails ist erst am späten Nachmittag Zeit. Den Abend verbringt Kicker oft bei Events zum Netzwerken. 16 Stunden Arbeit kommen da nicht selten zusammen. „Teilweise kommt dann auch noch die Abendschicht, wenn die Kollegen in Deutschland wieder im Büro sind. Die versuche ich allerdings zu vermeiden.“ Nebenbei pflegt er laufend Kontakte zu großen strategischen Partnern wie Google, Facebook und Netflix.


Einen großen Teil der Zeit nehmen Veranstaltungen ein, das klingt vielleicht weniger anstrengend als es ist und will gut vorbereitet sein, warnt Kicker:


"Man braucht wirklich die Disziplin, vorher zu überlegen, welche Personen und Firmen man treffen will und sich nicht von der Masse an Angeboten überfordern zu lassen.

Es darf einem gleichzeitig aber auch nicht zu blöd sein, mit jedem zu sprechen und zu netzwerken.“ Als weitere Tätigkeit organisiert der Silicon-Valley-Ableger der Deutschen Telekom Executive-Tours. „Wir machen aber keine Zoo-Touren“, kann er sich einen Seitenhieb auf die vielen Anbieter von Reisen in die Startup-Hochburg nicht verkneifen. „Bei diesen Trips besuchen wir zu 40 Prozent bestehende Partner, 40 Prozent potenzielle Partner und 20 Prozent inspirierende Organisationen wie die Singularity-University“. Mit diesen Exkursionen will Kicker den Kulturtransfer im Konzern fördern und die Kollegen in Europa motivieren, „groß zu denken“.


„Das Geben und Nehmen ist hier brutal“, berichtet Kicker über amerikanische Geschäftsbeziehungen: „Gespräche laufen meistens locker ab, aber es ist schon ein hartes Umfeld. Hier wird in Opportunitäten gedacht.“ Unternehmen, die ebenfalls eine Business-Development-Unit in Kalifornien aufbauen wollen, warnt Kicker: „Es ist nicht leicht, das Exzellente vom exzellenten Verkauf zu unterscheiden. 95 Prozent erzählen und präsentieren nur gut. Man darf sich auch nicht vom Interesse und von der Offenheit der US-Amerikaner blenden lassen, sollte die Freundlichkeit aber trotzdem schätzen lernen.“



Man darf sich nicht verzetteln Bei all den Innovationen, die der Business Development Manager beinahe täglich sieht, ist ihm eine Gefahr wohl bewusst: „Du siehst eine KI-Anwendung und denkst dir, das ist cool. Aber die Frage ist, was es dir wirklich bringt und wie du es in deiner Organisation anwenden kannst.“ Dass Kicker selbst aus einer Telekom-Tochter kommt – er war zuvor Chief Commercial Officer der T-Mobile Austria – hilft ihm seiner Erfahrung nach dabei, die Bedürfnisse der Konzerntöchter zu verstehen und die regionalen Märkte mitzudenken: „Es geht nicht darum, was super sexy ist, sondern was verarbeitbar bei uns ist. Das ist eine der größten Herausforderungen. Man muss immer mit dem Headquarter vernetzt sein.


Wir sind keine Botschaft oder Diplomaten, sondern teilen die Ziele mit dem Konzern."

Im Konzern selbst müssen die Matchmaker aus San Francisco noch stärker Bewusstsein für ihre Rolle schaffen. Ein Büro in San Francisco allein reicht eben nicht, um die Kultur eines großen Konzerns zu verändern. Die meisten Anfragen von Abteilungen bekommt die Partnering-Gruppe im Bereich Security. Neben Sicherheit und Connected Car haben sich Kickers Mitarbeiter auch auf Entertainment, Digitalisierung, M2M-Kommunikation, Internet of Things und Virtual Reality spezialisiert. Warum die Deutsche Telekom überhaupt eine eigene Schnittstelle für neue Partner im Silicon Valley braucht, erklärt der Leiter dieser Schnittstelle so: „Kein Unternehmen sollte glauben, dass man alle Innovationen aus sich selbst schöpfen kann. Man braucht die Unterstützung von außen. Zweitens kann niemand ignorieren, dass das Valley das Innovationszentrum der Welt ist. Das heißt nicht unbedingt, dass hier die besten Entwickler sind, aber sie sind risikoaffiner. Die Menschen hier haben über Jahrzehnte gelernt, zu innovieren. Das sind wir nicht gewohnt.“ So sieht sich Kicker auch als Übersetzer von Kultur und Technologie und warnt: „Man kann nicht alles, was hier gemacht wird, 1:1 übernehmen.“ 




Von Elisabeth Oberndorfer; Fotos: Liesa Johanssen

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