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Digitale Kollegen sind auch nur Menschen



Künftig werden KI-Bots unsere Mitarbeiter, Kollegen und Chefs sein. DIGBIZ-Leader-Herausgeber Michael Dvorak über den Umgang mit den „Neuen“ und über falsche Erwartungshaltungen.



Als People Manager setzen Sie auf einen bunten Mix aus unterschiedlichen Typen, Erfahrungen und Skills? Gut, denn bald könnte ihr Mix noch bunter werden. Etwa durch einen Büro-Bot als Team-Assistent. Was Alexa & Co. privat sein wollen, können auch Business-Organisationen brauchen: einen wissenden Freund und Helfer für (fast) alle Lebenslagen. Im Unterschied zu menschlichen Fachkräften können Sie hier aus dem Vollen schöpfen. Alexa ist nur eine von vielen. Die Bewerber heißen Celia, Howdy oder sonst wie und werden –vorerst – immer mehr.


Sie vereinen die Skills eines Chatbots und einer Wissensdatenbank in einer … äh… Person und sind damit ein wenig überqualifiziert für das Jobprofil, das sich heute als logischer Start anbietet: Meetings koordinieren, Teilnehmer einladen, Räume, Flüge und Hotelzimmer buchen – administrative Routine eben.


Klingt einfach – solange man darauf achtet, dass der Assistent nicht alles über dieselbe Plattform bucht, deren Betreiber ihn auch produziert haben – wird aber spätestens bei der Frage, wie man mit ihm interagiert, komplizierter. Wenn einem schon jemand das Leben erleichtert, dann bitte wirklich, also per Sprachsteuerung. Umgangssprache und Dialekt machen das nach wie vor nicht so leicht.

Wenn mir der KI-Assistent stets mehrere Optionen anbietet, was ich mit meiner Nuschelei eigentlich gemeint habe, ist das zwar bemüht, aber auch mühsam – für uns beide.

Steht zu befürchten, dass sich analog zu WhatsApp & Smartphone auch da eine sehr vereinfachte Kunstsprache herausbildet: Wg? Ggd? Gg. Einmal A24. Lol.

Aber kann man das dem KI-Kollegen zum Vorwurf machen? Schließlich ist die scheinbar gleiche Sprache auch im analogen Dialog zwischen Wienern, Tirolern, Hanseaten und Ostschweizern nicht immer ein Verständnis förderndes Element.


Allerdings macht auch der Ton die Musik. Zwar arbeitet man im Affective Computing intensiv daran, menschliche Emotionen für KI erkennbar zu machen … und in Tests schneidet die dabei zunehmend besser ab als der Mensch. Aber ein frustriert-zynisches „Na toll“ beantworten die digitalen Kollegen noch meist mit einem freundlichen und – leider – vermutlich nicht zynisch gemeinten „Gerne geschehen“. OK. Aber auch solch ein Ironie-Gap ist kaum größer als der zwischen Wiener Schmäh und Mainzer Karneval. Tusch.


Interagieren heißt aber nicht nur miteinander zu kommunizieren. Das Potenzial eines KI-Assistenten steckt nicht darin, nur auf Anweisungen zu reagieren, sondern darin auch automatisiert selbst zu agieren. Das ist fein, wenn er etwa im Falle einer Flugverspätung selbstständig eine Anschlussverbindung umbucht.

Es kann jedoch für Irritationen sorgen, wenn er bei einem Meeting den Teamleiter korrigiert, falls der z.B. gerade dabei ist, sich restlos over-zu-committen.

Auch, wenn das in der Sache sinnvoll sein kann, die Vertrauensbasis zum künstlichen Superhirn-Helferlein könnte dadurch leicht angekratzt werden. Dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wie loyal der eigene Assistent eigentlich ist. Bleiben die Ideen, Konzepte und Chatverläufe innerhalb des Teams oder sind die dann quer durchs Unternehmen transparent? Ist jeder Fehler und Flop oder auch jede schnoddrige Bemerkung dokumentiert und werden die KI-Kollegen so zu Bahnbrechern für eine neue Kultur des Teilens von Informationen und des Scheiterns? Dabei meint es der digitale Neue gar nicht böse. Er ist darauf angewiesen, alles von seiner Umwelt zu lernen. Und das kann manchmal recht desaströse Folgen haben wie prominente Beispiele für anpassungswillige Chatbots an der Kundenfront zeigen. Auch und gerade nicht-menschliche Team Members brauchen also People Manager. Fragt sich noch, wie da die Mitarbeitergespräche ablaufen. Apropos:

Nicht nur die Mitarbeiter, auch die Top-Manager müssen nicht zwangsläufig zumindest anatomisch menschlich bleiben.

In China und Japan gibt es bereits Pilotbeispiele, etwa bei der Investment Company Deep Knowlege Ventures in Hong Kong, bei dem ein Programm namens VITAL einen Sitz im Vorstand hat oder bei der japanischen Tochter des Werberiesen McCann Erickson, deren Kreativdirektor mit KI ausgestattet ist.


Bedenken gegen digitale Chefs tun sich derzeit bei der Frage auf, wer dann die Verantwortung für Fehlentscheidungen übernimmt. Im Ernst oder Ironie? Schließlich machen immer mehr prominente Beispiele von der Finanz- bis zur Automobilindustrie das analoge Eis, auf das man sich beim Thema Verantwortungskultur begibt, hauchdünn. Immerhin kann man sich bei einem KI-CEO zumindest eine hohe Abfindung ersparen, wenn er den Karren gegen die Wand fährt … zumindest solange der CFO kein KI-Buddy von ihm ist.


Vielleicht sind die Unterschiede zwischen menschlichen und digitalen Mitarbeitern also gar nicht so groß. Kann sein, dass genau das unser Problem ist: Je weiter sich die potenziellen KI-Kollegen entwickeln, umso mehr erwarten wir, dass sie uns Menschen ähneln … nur eben fehlerlos. Und das ist auch für KI ganz schön schwer.



Über den Autor:

Mag. Michael Dvorak ist Herausgeber der Management-Magazine CIO GUIDE und DIGITAL BUSINESS LEADER sowie der Online-Plattform digbiz-leader.media. Unter dem Label TECHtellers entwickelt er Kreativ-Formate, um Marketing-Botschaften mit technologischem Content wirkungsvoll zu visualisieren und zu transportieren. Davor war er langjährig als Marketing Director in internationalen IT-Konzernen tätig. Künftige Effekte von KI im Marketing- und Kreativbereich sind ein Thema, mit dem er sich intensiv beschäftigt.



Fotos: Ines Thomsen

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